Dr. Stefan Kastner – Kandidat zum ÄK Präsidenten

Dr. Stefan Kastner im Interview

Unser Kandidat für das Amt des Präsidenten der Ärztekammer für Tirol

Wir stellen den Standespolitiker Stefan Kastner vor. Seine Sicht auf die Situation der Tiroler Ärzteschaft und seine Lösungsansätze sind Themen unseres Gespräches.

Arzt in Tirol: Die Arbeitsbedingungen in den Tiroler Krankenhäusern haben sich trotz Reduktion der Arbeitszeiten nicht verbessert. Arbeitsdichte und Bürokratie sind weiterhin ein Thema. Wertschätzung und Gehalts- bzw. Honorarschemata korrelieren nicht mit dem Einsatz und der Verantwortung, um alle Qualitätsvorgaben ärztlicher Tätigkeiten zu erfüllen. Natürlich interessieren uns auch die Themen rund um die Work-Life-Balance, die Ausbildung, die Abwanderung von Ärztinnen und Ärzten sowie der drohende Versorgungskollaps in manchen Regionen durch nicht besetzte Kassenstellen. Vielleicht beginnen wir mit den Ärztinnen und Ärzten in der postpromotionellen Ausbildung. Schließlich geht es ja nicht nur darum, genügend Ärztinnen und Ärzte in den Tiroler Spitälern auszubilden, sondern insbesondere auch um die Ausbildungsqualität und ihre berufliche Zukunftsfähigkeit in Krankenhaus und Niederlassung.

Stefan Kastner: Der Start in den Arztberuf erfolgt mit viel Idealismus und großen Erwartungen und Zielen. Primär wird ein gutes Ausbildungskonzept, wertschätzender Umgang, faire Bezahlung und eine gelebte patientenorientierte intra- und interprofessionelle Zusammenarbeit der Weg zu einem mit Freude erfüllten Berufsalltag sein. Die Realität sieht aber ganz anders aus. Viele Auszubildende fühlen sich allein gelassen, der Alltagstrott in der Systemerhaltung dominiert den Tagesablauf. Die Ausbildung bleibt oft auf der Strecke. Gerade in den ersten Monaten an einer Ausbildungsstätte können Mentoring-Modelle bzw. Ausbildungsassistenten den Einstieg enorm erleichtern. In den Turnusärztebefragungen schneiden die Tiroler Ausbildungsstätten insgesamt recht gut ab, besonders hohe Zufriedenheit sehen wir aber in der Lehrpraxis. Das bestärkt mich in meiner Meinung, dass das direkte Verhältnis zu engagierten unmittelbaren Ausbildungsverantwortlichen so wichtig ist. 

Die ärztliche Ausbildung wurde in den letzten Jahren zusehends auch mit den Arztpraxen verwoben. Vom KPJ bis zur Lehrpraxis öffnet sich der Trend hin zu praxisrelevanter Ausbildung direkt am Patienten in enger und vertrauensvoller Zusammenarbeit mit den Ausbildnern. Soll das zur Niederlassung motivieren? 

Die Anzahl der ausgebildeten Ärzte, die uns für den niedergelassenen Bereich zur Verfügung stehen, wird vom Ärztemangel ebenso beeinflusst wie durch die Attraktivität der Tätigkeit als niedergelassener Arzt. Eine wichtige Voraussetzung, um jungen Kolleginnen und Kollegen die Arbeit in einer Arztpraxis „schmackhaft“ zu machen, ist das Kennenlernen des Arztberufs auch in jenem Setting, in dem sich die Arbeit nach der Niederlassung abspielen wird. Ein nicht weniger wichtiger Motivator zur Niederlassung ist allerdings auch die Wertschätzung, die den niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten zukommt. Ich meine hier nicht nur Wertschätzung durch unsere Patientinnen und Patienten, sondern besonders auch durch die Vertragspartner in den einzelnen Krankenversicherungen und durch die Politik. Administrative Hürden und bürokratischen Querschüsse der Krankenkassen wie auch niedrig honorierte oder gar durch das Limitierungssystem unbezahlte Leistungen schrecken viele niederlassungswillige Kolleginnen und Kollegen ab. Sie demotivieren aber auch zusehends schon in der Praxis niedergelassene Vertragsärztinnen und Vertragsärzte.

Apropos Ärztemangel! Die Liste der erfolglos ausgeschriebenen Kassenstellen wird auch in Tirol sowohl für Allgemeinmediziner als auch für Fachärzte immer länger. Ist die Unzufriedenheit mit dem Kassensystem die einzige Ursache? Warum besteht dieser Trend nicht bei den Wahlärzten?

Die Ursachen für den Ärztemangel sind vielschichtig. Im kassenärztlichen Bereich ist es sicher die Unzufriedenheit der Ärzte, aber auch der Patientinnen und Patienten mit dem Kassensystem. Beide, Ärzte, aber auch Patientinnen und Patienten, wandern deshalb vermehrt in den Wahlarztbereich ab. Eine Wahlarztpraxis lässt sich flexibler führen, lässt vielfältige Zusammenarbeitsformen zu und bietet zudem die Möglichkeit, weitgehend unabhängig von Vorgaben der sozialen Krankenversicherung den Arztberuf als „freien Beruf“ zu leben. Seit dem Zusammenschluss der einzelnen Gebietskrankenkassen zur ÖGK wurden Abstimmungen zwischen Ärzteschaft und Krankenkasse zunehmend schwieriger, die Entscheidungskompetenz in Tirol ist marginal, und die Regionalität der Problemlösungen geht in einem rigiden zentralistischen System verloren. Dabei müssten aber gerade jetzt grundlegende strukturelle Reformen erfolgen 

Dr. Stefan Kastner

und Zusammenarbeitsformen und neue Freiheiten gefunden werden. Und diese müssen über die zu eng gedachten Strukturen von Primärversorgungszentren hinaus gehen und eine familientaugliche und patientenorientierte Medizin im niedergelassenen ärztlichen Bereich ermöglichen. Damit könnte man auch eine weitere Ursache der Versorgungsproblematik im Kassenbereich angehen: Die demografische Veränderung innerhalb der Ärzteschaft und die damit geänderten Vorstellungen einer ausgeglichenen „Work-Life-Balance“. In Zukunft werden die leistungsanbietenden Institutionen, wie Krankenhäuser oder Sozialversicherungen, die die besseren Konzepte und die attraktiveren Angebote machen, die Nase vorn haben. Sie werden die Sieger sein, wenn es um die Akquisition von Ärztinnen und Ärzten, aber auch von Pflegepersonal geht. Letztlich wird damit auch beeinflusst, ob sich die fachärztliche Versorgung im Rahmen der sozialen Krankenversicherung weiterentwickeln oder zusehends an die Krankenhäuser verlagern wird.Trotz der gewaltigen Dynamik in der medizinischen Forschung und Entwicklung scheint das österreichische Gesundheitswesen wie ein saturierter Tanker, der langsam vor sich hinrostet, dem die klare Richtung fehlt und der mehr oder weniger beschaulich – mit Minimalreaktionen auf drängende Versorgungszwänge – vor sich hindümpelt.

Das Bild ist anschaulich und passend. Denken wir an die Digitalisierung. Oft steht hier nicht die Praktikabilität und der Nutzen für Arzt und Patient im Vordergrund, sondern der Hintergedanke nach einem Regulierungsinstrument zur Überwachung von beiden und zur Einschränkung der freien Arztwahl und der möglichen Behandlungsformen. Die ELGA ist noch immer holprig und anwenderfeindlich. Der Weg zum echten e-Rezept scheint zwar bald geschafft – wahrscheinlich kam hier die nötige Dynamik wie beim e-Impfpass durch die Corona-Pandemie. Das nächste e-Health-Projekt soll die elektronische Überweisung sein. Allerdings erwecken auch hier die Konstrukteure den Eindruck, eher die Administration und Kontrolle der Krankenkasse verbessern zu wollen, anstatt die bisherigen, gut eingespielten analogen Anläufe in ein digitales System zu transformieren. Einfache einzusetzende EDV-Lösungen bis hin zur Telemedizin sollen die Ärztinnen und Ärzte in ihrem Arbeitsalltag unterstützen – egal, ob im Krankenhaus oder in der Arztpraxis. Eine gute elektronische Vernetzung soll aber auch dazu dienen, Ärztinnen und Ärzte beider Sektoren zu verbinden, Kooperationen zuzulassen und zu fördern. Auch das kann junge Kolleginnen und Kollegen zur Niederlassung bewegen. Sie erleichtert den Start in die eigene Ordination, eine Gruppenpraxis oder in ein Netzwerk von Arztpraxen ebenso wie es eine gezielte Niederlassungsberatung und -begleitung bieten kann. Denn immer mehr junge Kolleginnen und Kollegen scheuen den Weg, unternehmerisch tätig zu werden. Eine geförderte entsprechende Begleitung und niederschwelliger Zugang zu Räumlichkeiten, Personal und Infrastruktur könnte gerade in Regionen mit kritisch niedriger Versorgung durch niedergelassene Ärztinnen und Ärzte ein Lösungsansatz sein.

Könnten sich hier auch Aufgaben für die Ärztekammer ergeben?

Ich sehe hier einen großen Aufgabenbereich. Die Ärztekammer sollte ihre bisher meist intensive individuelle Praxisberatung und ihre Erfahrung daraus etwa in Kursen, die Praxisökonomie und das Praxismanagement betreffend, einbringen. Das wäre sicher eine wertvolle Ergänzung zu den bisherigen Praxisgründungsseminaren und für angestellte wie auch schon niedergelassene Ärztinnen und Ärzte interessant.

Herzlichen Dank für das Gespräch! Zum Schluss noch eine „Elferfrage“: Was wünschen Sie sich für die im Februar angesetzten Kammerwahlen?

Ich wünsche mir, an die Erfolgsserie Präsident Wechselbergers anzuschließen, um mit derselben Dynamik wie er die Tiroler Ärzteschaft erfolgreich in eine spannende, aber auch herausfordernde Zukunft führen zu können.